Kompetenz-Gerangel
Kennen Sie Ihre Kompetenzen? Damit meine ich nicht Ihren Verantwortungsbereich, sondern Kompetenzen im Sinne von professionell überzeugendem Handeln. Wo sind Sie kompetent und woran merkt man das? Dem möchte ich hier auf die Spur kommen.
Schauen wir uns als erstes den erkennbar schwierigen Begriff an: Kompetenz bietet verschiedene Deutungsansätze. Hier geht es um eine besondere Qualität Ihrer Fähigkeiten und Fertigkeiten im Zusammenspiel mit Know-how. Hinzukommen Werte, Emotionen und Motivation, was als erstes unterstreicht, dass Kompetenzen nicht mit Qualifikationen verwechselt werden dürfen. Letztere orientieren sich an vorgegebenen Lernstoffen und zielen auf Vergleichbarkeit und Benotung sowie Standardisierung der Wissensbestände bzw. Fähigkeiten. Kompetenzen beschreiben im Kontrast zu Qualifikationen die Befähigung, auch in unvorhergesehenen, offenen Situationen erfolgreich zu agieren. Dies wird in der heutigen Arbeitswelt immer wichtiger, Qualifikationen haben nur noch eine Halbwertzeit von einem oder zwei Jahrzehnten. Im Kern versuchen wir mit dem Begriff „Kompetenzen“ zu erfassen, welche Fähigkeiten mit Blick auf einen erfolgreichen Abschluss aktiviert werden, wenn Routine, Vorwissen, Ausbildung oder Bücher keine Patentrezepte mehr liefern. Dann wird man sich selbst schnell organisieren, weil man zu Lösungen kommen will, und diese „Selbstorganisationsfähigkeiten“ nennen wir per Definition „Kompetenzen“.
Ein Beispiel: Sie haben in Aus- und Fortbildung gelernt, welche Formulare den Workflow in Gang halten und der Entscheidungsvorbereitung dienen. Eine neue Kundenanfrage liegt nun quer zu den Formularfeldern, selbst das Anmerkungenfeld erscheint unangemessen in diesem Fall. Wie reagieren Sie? Was stufen Sie als ‚kompetente Handeln‘ ein: den Auftrag als unbearbeitbar abzuweisen oder das Gespräch mit dem Kunden und ein vermittelndes Gespräch mit der Leitung aufzubauen? Welche Kompetenzen erwartet Ihr Arbeitgeber, die Sie zeigen; können Sie sie benennen und waren Sie in entsprechenden Personalentwicklungsmaßnahmen?
Ein Instrumentarium, um den Kompetenzen ihr Geheimnis abzuringen, finden Sie in den KODE®-Analysen. Dieses von Prof. Erpenbeck und Prof. Heyse entwickelte Paket zur Kompetenz-Diagnose und –Entwicklung gruppiert vier Kompetenzfelder:
- die Fähigkeit zur Selbstorganisation des Handelns in Bezug auf sich selbst als Person (Personale Kompetenz)
- die Fähigkeit zur Selbstorganisation des Handelns in Bezug auf die eigene Handlungsausführung (Aktivitäts- und Handlungskompetenz)
- die Fähigkeit zur Selbstorganisation des Handelns in Bezug auf den Umgang mit Objekten (Fachlich-methodische Kompetenz)
- die Fähigkeit zur Selbstorganisation des Handelns in Bezug auf den Umgang mit anderen Personen (Sozial-kommunikative Kompetenz)
Abgekürzt P, A, F, S, bilden die vier ein individuell ausgeprägtes System Ihrer Kompetenzen. Daraus lassen sich sogar 64 detaillierte Teilkompetenzen ablesen, die wissenschaftlich-empirisch getestet und mit hoher Erklärungskraft ausgestattet sind. Zudem lassen sich für diese Teilkompetenzen Übungen nutzen, um schwach ausgebildete zu stärken und das persönliche Kompetenzprofil den betrieblichen Aufgaben anzupassen.
Fokussiert sich die Personalentwicklung auf ein Kompetenzmanagementsystem statt Qualifikationen, können organisatorische und aufgabenspezifische Kompetenzanforderungen mit den personenspezifischen Potenzialen und Entwicklungsperspektiven zusammengebracht werden. Auch die Maßnahmen der Personalentwicklung verändern sich: „ Denn Kompetenzförderung braucht vor allem informelle Lernformen wie Job-Rotation, Lernen im Netzwerk, Lernen durch Lehren und Coaching. Und sie erstreckt sich auch auf Bereiche jenseits der PE, etwa Maßnahmen der Organisationsentwicklung und Verbesserungen der Arbeitsstrukturen“, erklärt Prof. Erpenbeck. Es tut sich also ein weites Feld auf, dass die traditionellen Vorstellungen von Weiterbildung und Persönlichkeitsprofilen zu einem spannenden Horizont führt.
PS. Nebenbei bemerkt: mein aktueller Favorit unter den vielfältigen, irritierenden Kompetenzbegriffen lautet “Inkompetenzkompensationskompetenz“.
Für die Beratungspraxis Krug:
von stephan tanneberger / 2014 / Der-Arbeitsmethodiker.de